Gewalt im Lebenslauf von Frauen – mehr Informationen

Gewalterfahrungen beschränken sich nicht auf eine bestimmte Lebensphase wie zum Beispiel in der Kindheit oder Jugend. Vielmehr kann Gewalt in jeder Lebensphase erstmalig, kontinuierlich fortlaufend oder erneut auftreten.

Nachfolgend finden Sie Untersuchungen zu Häufigkeiten und Ausmaß der Gewalterfahrungen im Lebenslauf von Frauen:

In der Kindheit und Jugend, im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, Sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz und Gewalterleben im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft. Zusätzlich erhalten Sie Informationen zu Untersuchungen über das Gewalterleben älterer Frauen.

Gewalt gegenüber Frauen tritt weltweit am häufigsten im Rahmen einer Partnerschaft auf. Vertiefende Informationen zum Thema Partnergewalt finden Sie hier.

Zum Ende der Seite finden Sie ausgewählte Literaturvorschläge zur Vertiefung in das Thema.

Gewalterfahrungen in der Kindheit

Die aktuellen deutschen polizeilich erfassten Opferzahlen (BKA, 2018) zeigen folgendes Bild: Der Anteil kindlicher Opfer gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt 4,8% (1.217 Kinder). Eine geschlechtsspezifische Aufteilung wurde nicht aufgeführt.

Gewalt in der Kindheit tritt häufig in Kombination verschiedener Gewaltformen auf. Untersuchungen (Kavemann, Kreyssig, 2013) konnten darstellen, dass Mädchen von gewalttätigen Vätern zwischen 80-90% alle Formen von Gewalt bis hin zu Todesdrohungen gegen die Mutter miterleben. Der Anteil erlebter sexueller Gewalt beträgt 12,0%. Generell werden männliche Täter am häufigsten genannt. Täterinnen sind selten.

Viele Untersuchungen verweisen auf einen Transgenerationen-Effekt: Gewalterfahrungen in der Kindheit können dazu führen, dass Betroffene auch im weiteren Lebenslauf gewalttätige Beziehungen führen (Kapella et.al. 2011; Schröttle, Hornberg, 2012).

 

Gewalterfahrungen von weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen

In jugendlichen Paarbeziehungen kann Gewalt als „spontanes Konfliktverhalten“ oder als „systematisches Gewalt- und Kontrollverhalten“ auftreten (Bates et al., 2014). In verschiedenen europäischen Studien (Narring et al., 2003, Barter, 2009; Blättner et al., 2014) berichten14% -31% aller weiblichen Jugendlichen von Gewalterfahrungen in den ersten Paarbeziehungen. Diese große Spannweite ergibt sich aus unterschiedlichen Gruppengrößen, Fragestellungen, Altersgruppen und dem Kontext der jeweiligen Untersuchung. Allen Studien gemeinsam ist eine im Vergleich zu männlichen Jugendlichen größere Betroffenheit bei weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen (Baier, Pfeiffer, 2011).

Gewalt unter Jugendlichen/ jungen Erwachsenen ist ein bekanntes und viel diskutiertes Thema, vor allem im Kontext von Schule und Jugendsozialarbeit. Zu den Gewaltformen gehören Mobbing oder Bullying als systematisierte physische und/ oder verbale Gewalt gegenüber Einzelnen sowie verschiedene Formen von Cybergewalt durch zusenden bedrohlicher oder demütigender Nachrichten oder Veröffentlichung privater/ intimer Bilder und Inhalte (Jim-Studie, 2018; Vagi, 2015; Döring, 2014).

Zusammenfassend zeigt sich, dass Gewalterleben in der Kindheit oder in den ersten Paarbeziehungen ein wichtiger Faktor für weiteres Gewalterleben in der Lebensspanne darstellt (Schröttle, Hornberg, 2012).

Sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in der Regel eine gezielt und bewusst ausgeübte Handlung zur verdeckten Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz. Eine Untersuchung ca. 700 Gerichtsurteilen zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aus den Jahren zwischen 1980 – 2014 zeigte nur 25 männliche Betroffene (Linde, 2015). Neun von zehn Beratungsanfragen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz stellten Frauen (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2019).

Laut einer Sonderauswertung einer deutschlandweiten Repräsentativstudie (Müller, U., Schröttle, M. 2004) war ein Viertel aller befragten Frauen (24,5%) zwischen 16 und 65 Jahren mindestens einmal im Leben von sexueller Belästigung in Arbeit, Schule und Ausbildung betroffen – 8% sogar häufig. Als Täter nannten 11% der Befragten Arbeitskollegen, 6% Vorgesetzte und 5% Kunden oder Patienten.

Zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gehören zum Beispiel taxierende Blicke, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, sexualisierte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts oder unerwünschte Einladungen mit sexuellen Anspielungen.

Belästigungen sind meistens keine Einzeltaten, sondern wiederholen sich mehrfach. Sie finden nicht nur in abgelegenen Räumen, sondern ebenso am öffentlichen Arbeitsplatz, in Kantinen, Pausenräumen, in Treppenhäusern oder Fluren statt.

Gewalterleben von Frauen in der Schwangerschaft

Laut einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2013) gaben 10% der gewaltbetroffenen Frauen eine Schwangerschaft und 20% eine Geburt als erstauslösende Situation für Gewalt durch den Partner an.

Eine deutsche Untersuchung zu Gewalterfahrungen schwangerer Frauen in einer Münchner geburtshilflichen Abteilung kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Von den insgesamt 401 befragten Schwangeren gaben 6,7% an, während der bisherigen Schwangerschaft Gewalt erlebt zu haben. In 33,3% ging die Gewalt vom Partner aus (Stöckl et al., 2010).

Eine US-amerikanische Studie zeigt folgendes Bild: Insgesamt 30-80% aller Schwangerschaften in gewalttägigen Beziehungen waren unerwünscht. Dabei wurden 60% der Frauen mit unerwünschter Schwangerschaft durch den Partner an der Anwendung von Verhütungsmitteln gehindert. Solche unerwünschten Schwangerschaften erhöhen das Risiko von Gewalterfahrungen der Mutter um das 2,5-fache.

 

Gewalterleben älterer Frauen

Auch im hohen Alter existiert Gewalt im Zusammenhang von Bewegungseinschränkungen und Pflegeabhängigkeiten in der Häuslichkeit oder Einrichtung:

Ältere Frauen über 60 Jahre erleben körperliche oder sexualisierte Gewalt durch den aktuellen oder ehemaligen Partner zu etwa 12%; davon ca. 3 % der Frauen über 75 Jahre (Nägele et al., 2010). Als besonders belastend wird von den Betroffenen die besonders häufig (17,6%) erlebte psychische Gewalt angegeben. Auch in dieser Lebensphase tritt Gewalt meist in mehreren Formen auf und wird meistens mehr als einmal begangen. Die Mehrheit (85%) der Betroffene haben bereits vor dem 60. Lebensjahr Gewalt erfahren.

Ältere Frauen erleben Gewalt in der eigenen Häuslichkeit (Müller, Schröttle, 2004) aber auch mit zunehmender Pflegeabhängigkeit in Einrichtungen und durch Pflegende (Görgen et al., 2012). Die Täter sind überwiegend Männer.

 

 Literatur

Kindheit und Jugend

Die deutschen polizeilich erfassten Opferzahlen finden sich auf der Seite des Bundeskriminalamtes (BKA, 2018):

https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2018/pks2018_node.html

Studienergebnisse zu den Auswirkungen Häuslicher Gewalt auf Kinder finden Sie in folgendem Buch:

Kavemann, B.; Kreyssig, U. (2013): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Eine deutschsprachige Studie, die auch Häusliche Gewalt in der Kindheit berücksichtigt, finden Sie hier:

Kapella, O.; Baierl, A.; Rille-Pfeiffer, C.; Geserick, C.; Schmidt, E.V. (2011). Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld. Österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern. Österreichisches Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien.

 

Deutschsprachige Studien zu Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen

Baier, D.; Pfeiffer, C. (2011): Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt in Berlin. KFN Forschungsbericht Nr. 114. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.

Blättner, B.; Liepe, K.; Schultes, K.; Hehl, L.; Brzank, P. (2014): Grenzüberschreitendes Verhalten und Gewalt in Liebesbeziehungen unter Jugendlichen: Prävalenz und Lebensqualität unter Hessischen Schülerinnen und Schülern. Das Gesundheitswesen 76: 1-6.

Narring, F.; Tschumper, A.; Inderwildi Bonivento, L.; Jeannin, A.; Addor, V.; Bütikofer, A.; Suris; JC.; Diserens, C.; Alsaker, F.; Michaud, PA. (2003): Gesundheit und Lebensstil 16- bis 20 Jähriger in der Schweiz (2002). SMASH 2002. Swiss multicenter adolescent study on health 2002. Lausanne: Institut universitaire de médecine sociale et préventive; Bern: Institut für Psychologie; Bellinzona: Sezione sanitaria.

 

 

 

Die Ergebnisse der JIM- Studie zum Medienverhalten Jugendlicher finden Sie hier:

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2018): JIM-Studie. Zugriff unter: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2018/.

 

 

Internationale Untersuchungen zu Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen:

Barter, C.; McCarry; M.; Berridge, D.; Evans, K. (2009): Partner exploitation and violence in teenage intimate relationships. National Society for the Prevention of Cruelty to Children (NSPCC): London.

Bates, EA.; Graham-Kevan, N.; Archer J. (2014:) Testing predictions for the male control theory of men’s violence. Aggressive Behavior 40(1):42-55.

Döring, N. (2014): Consensual sexting among adolescents: Risk prevention through abstinence education or safer sexting? In: CP 8, 2014 (1)

Exner-Cortens, D.; Eckenrode, J.; Rothman, E. (2013): Longitudinal Associations Between Dating Violence Victimization and Adverse Childhood Experiences. Pediatrics. 131(1):71-78.

 

Vagi, KJ.; Olsen, EOM.; Basile, KC.; Vivolo-Kantor, AM: (2015): Teen Dating violence (physical and sexual) among high school students: Findings from the 2013 National Youth Risk Behavior Survey. JAMA Pediatrics 169(5): 474-482.

 

Sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz

Antidiskriminierungsstelle des Bundes, (2019): Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Zugriff unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Leitfaeden/Leitfaden_Was_tun_bei_sexueller_Belaestigung.pdf?__blob=publicationFile&v=10.

Bundeskriminalamt (2018b): Polizeiliche Kriminalstatistik 2017: Jahrbuch Band 3 Tatverdächtige. Zugriff unter: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2017/pks2017_node.html;jsessionid=5A80816006EED3EDF2DA6D3BF049D256.live0602.

Linde; G. (2015): Basta! Gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Papy Rossa Verlag.

 

Schwangere Frauen

Janz, U. (2018): Umgang mit gewaltbelasteten Frauen in der Geburtshilfe – RESPONSE-EU-Projekt, in: Clio Nr. 87 “Selbstbestimmt! Frauengesundheit braucht Selbstermächtigung”.

Finnbogadóttir, H.; Dykes, AK. (2016): Increasing prevalence and incidence of domestic violence during the pregnancy and one and a half year postpartum, as well as risk factors: a longitudinal cohort study in Southern Sweden” BMC Pregnancy and Childbirth;1, 327.

Van Parys, AS.; Verhamme, A.; Temmerman, M.; Verstraaöem, H. (2014): Intimate Partner Violence and Pregnancy. A systematic review of interventions. PLoS ONE 9(1):e85084.

Chu, SY.; Goodwin, MM.; D´Angelo, D. (2010): Physical Violence Against U.S. Women Around The Time of Pregnancy, 2004-2007. American Journal of Prev. Med.; 38(3): 317-322.

Goodman, PE. (2009): Intimate Partner Violence and Pregnancy, in: Mitchell, C, Anglin, D: Intimate Partner Violence – A Health Based Perspective, New York (pp 253-264).

Stöckl, H.; Hertlein, L.; Friese, K.; Stöckl, D. (2010): Partner, workplace, and stranger abuse during pregnancy in Germany. Int J Gynaecol Obstet. 111(2):136‐139.

Gewalterleben älterer Frauen

Görgen, T.; Herbst, S.; Kodenga, S.; Nägele, B.; Rabold, S. (2012): Kriminalitäts- und Gewalterfahrungen im Leben älterer Menschen. Studie im Auftrag des BMFSFJ. Zugriff unter: https://www.bmfsfj.de/blob/94188/26fade4c1250f7888ef17b68f2437673/kriminalitaets-und-gewalterfahrungen-aelterer-data.pdf

Müller, U., Schröttle, M. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland – Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Hrsg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin.

Nägele, B., Böhm, U., & Görgen, T. (2010): Partnergewalt gegen ältere Frauen. Länderbericht Deutschland. Zugriff unter: https://www.researchgate.net/profile/Thomas_Goergen/publication/228604964_Landerbericht_Deutschland/links/0912f50d69f741b35c000000/Laenderbericht-Deutschland.pdf.