Gewalt in Partnerschaften

Art und Ausmaß von Gewalt
„Gewalt gegen Frauen zählt zu den schwersten Menschenrechtsverletzungen weltweit und ist ein globales Gesundheitsproblem von epidemischem Ausmaß, das dringendes Handeln erfordert!“ (WHO, 2013).

Auch in Deutschland sind alle sozialen und ethnischen sowie Bildungs- und Altersgruppen von Gewalt in Paarbeziehungen betroffen (Müller, Schröttle, 2004). So wurden 2018 insgesamt 114.000 Fälle häuslicher Gewalt von Frauen bei der Polizei angezeigt (BKA, 2019).

Jede vierte Frau in Deutschland erlebt Gewalt in Partnerschaften. Schwere körperliche oder sexualisierte Gewalt wird in Partnerschaften besonders häufig von Männern an Frauen begangen.

In einer europäischen Untersuchung (FRA, 2014) wurden Gewaltbeslastungen für Frauen in Partnerschaften in Deutschland erhoben:

  • 8% der Frauen haben in den letzten 12 Monaten körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft erlebt.
  • 22% der Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt durch derzeitigen oder früheren Partner erlebt
  • 50% aller Frauen haben psychische Gewalt durch einen derzeitigen oder früheren Partner erlebt (EU: 43%).

Um das Ausmaß und die Folgen von Gewalt einschätzen zu können, sind Angaben zum Schweregrad und der Häufigkeit der erlebten Gewalt unerlässlich. Daher sind genderspezifische Vergleiche, die solche Vorgaben nicht berücksichtigen, unzulänglich.

Zwei von drei Frauen, die Gewalt in Partnerschaften erlebten, berichteten von mehrfachen Gewaltereignissen (Müller, Schröttle, 2004). In der Kindheit erlebte Gewaltbelastungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, im weiteren Lebenslauf Partnergewalt ausgesetzt zu sein. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Risikofaktoren.

Gewalt in der Partnerschaft beschränkt sich nicht auf eine Form von Gewalt und wird von den betroffenen Frauen als bedrohlich und demütigend erlebt. Neben körperlicher und sexualisierter Gewalt übt der Partner/Täter auch psychische Gewalt durch Drohungen oder beispielsweise soziale Kontrolle aus, die oftmals in Isolation mündet. Schwerwiegende körperliche oder sexuelle Gewalt tritt so gut wie nie als einmaliger Gewaltakt auf (Müller, Schröttle, 2004). Sie ist häufig in verschiedene Gewaltformen eingebettet. In einer deutschen Untersuchung zum Thema Gewalt in der Partnerschaft (Müller, Schröttle, 2004) mit insgesamt 6.367 befragten Frauen konnten die Autorinnen aufzeigen, dass bereits Drohungen durch Partner oder Ex­Partner häufig mit körperlicher/ sexueller Gewalt einhergehen oder nach der Drohung umgesetzt werden.

Es werden folgende Formen von Gewalt unterschieden.

  • Körperliche Gewalt: schlagen, treten, würgen mit Gegenständen verletzen etc.
  • Sexualiserte Gewalt: sexuelle Belästigung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Zwang zu unerwünschten sexuellen Handlungen etc.
  • Psychische Gewalt: demütigen, anschreien, beschimpfen, verleumden, angstbesetzte Situationen ausnutzen etc.)
  • Ökonomische Gewalt: Geldmittel entziehen, Verbot der Erwerbstätigkeit, Unterschriften für Kreditverträge erschleichen etc.
  • Soziale Gewalt: Isolation, Kontrolle der sozialen Kontakte, Verleumdung beim Arbeitgeber/Ämtern etc.
  • Digitale Gewalt: Oberbegriff für Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.) bedienen

Trennungs- und Scheidungssituationen stellen für Frauen eine besonders hohe Gefährdung dar. In einer spezifischen Analyse zum Thema (Müller, Schröttle, 2004) gab von den insgesamt 484 betroffenen Frauen, die sich von einem Partner getrennt hatten, ein Viertel an, von körperlicher oder sexueller Gewalt durch den (Ex-)Partner betroffen gewesen zu sein. Jede 3. Betroffene führte aus, Nachstellungen, Belästigungen oder Bedrohungen durch den (Ex-)Partner erlebt zu haben. Jede 10. Betroffene berichtete von Androhungen und Angriffen auf Eigentum oder Wohnung.

Obwohl alle Frauen von Paargewalt betroffen sein können, zeigt sich für Frauen mit Migrationshintergrund eine besondere Belastung: In einer spezifischen Untersuchung von Frauen zum Thema Gewalt, Gesundheit, Migration (Schröttle, Khelaifat, 2008) zeigte sich, dass Frauen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund mehr als doppelt so hohe körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch den aktuellen Partner erfahren haben (29% versus 13%). Von schwererer und häufiger auftretender körperlicher sowie sexueller Gewalt durch den aktuellen Partner waren der Auswertung nach 17 % der Frauen mit türkischem Migrationshintergrund betroffen und 5 % der Frauen deutscher Herkunft.

Auch Frauen mit Behinderungen sind häufig von Partnergewalt betroffen. In der Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen( Schröttle, Hornberg 2012) wurden ca. 240 Betroffene interviewt. 40% gaben an, durch ihren (Ex-)Partner Gewalt erlebt zu haben.

Literatur

Bundeskriminalamt (2019) Partnerschaftsgewalt. Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2018. Zugriff unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2018.html;jsessionid=0518B610EB671820A7FCDDD079175102.live0611?nn=63476.

FRA (2014): Violence against women: an EU-wide survey. Main results report, dt: Gewalt gegen Frauen: Eine EU-weite Erhebung – Ergebnisse auf einen Blick. Zugriff unter: https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2014-vaw-survey-at-a-glance-oct14_de.pdf.

Müller, U., Schröttle, M. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in DeutschlandEine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Hrsg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin.

Schröttle, M.; Hornberg C. (2012): Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland. Ergebnisse der quantitativen Befragung. Endbericht. Bielefeld, Frankfurt, Köln, München: BMFSFJ. Zugriff unter: https://www.bmfsfj.de/blob/94206/1d3b0c4c545bfb04e28c1378141db65a/lebenssituation-und-belastungen-von-frauen-mit-behinderungen-langfassung-ergebnisse-der-quantitativen-befragung-data.pdf.

Schröttle, M.; Khelaifat, N. (2008): Gesundheit-Gewalt-Migration. Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen und Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland.

WHO (2013): Responding to intimate partner violence and sexual violence against women – WHO clinical and policy guidelines. Ins Deutsche übersetzt vom SIGNAL e.V. – Intervention im Gesundheitsbereich gegen Gewalt, Berlin: Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und mit sexueller Gewalt gegen Frauen. Leitlinien der WHO für Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik.

Zusammenfassend lässt sich einmal mehr festhalten: Gewalt ist nicht gleich und Gewalt macht nicht gleich.