Schweigepflicht für Ärztinnen und Ärzte in Fällen Häuslicher Gewalt

Entbindung von der Schweigepflicht
Im Grundsatz einfach ist die Rechtslage, wenn die Patientin Sie von der Schweigepflicht entbindet. Der vertrauensvollen Arzt-Patientenbeziehung widerspricht es gerade in Fällen häuslicher Gewalt häufig, von der Patientin am Ende des Gesprächs noch eine schriftliche Abgabe der Erklärung zu erbitten. Aber insbesondere dann, wenn die Patientin in ihrer Entscheidung unsicher ist und es auch nicht möglich ist, der Patientin noch weitere Bedenkzeit einzuräumen, sollten Sie diese Bedenken zurückstellen und sich nicht nur mit einer eigenen Dokumentation in der Krankenakte begnügen.

Rechtfertigender Notstand
Eine Offenbarungsbefugnis besteht aber auch, wenn Interessen zu schützen sind, die weit höher wiegen als die Schweigepflicht. Hier erlaubt §34 Strafgesetzbuch (rechtfertigender Notstand)1 den Bruch der Schweigepflicht. Diese Rechtsnorm ist jedoch gerade bei Fällen häuslicher Gewalt zwiespältig, denn sie erlaubt es, andere zu unterrichten, verpflichtet aber nicht dazu. Deshalb hat die Ärztin oder der Arzt eine häufig nicht leichte Gewissensentscheidung zu treffen, die sich an der rechtlichen Bewertung messen lassen sollte – aber nicht muss.

Handlungspflichten
In seltenen Fällen, vor allem aber wenn das Leben eines Kindes bedroht ist, können Anzeigepflichten nach §138 Strafgesetzbuch (Nichtanzeige geplanter Straftaten) bestehen. Das Gleiche kann gelten, wenn sich die Gewalt gegen eine Person richtet, die ebenfalls von Ihnen behandelt wird. Hier folgt die Offenbarungspflicht dann als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag.

Schweigepflicht und Aussage in Gerichtsverfahren
Ärztinnen und Ärzte können in Strafverfahren als Zeuginnen/ Zeugen zu Fragen, die ihnen im Rahmen des Behandlungsverhältnisses anvertraut wurden, gehört werden. Das kommt allerdings selten vor. In aller Regel sind Erklärungen zur Schweigepflicht bei Gericht bereits zu den Akten genommen worden, sodass hier Probleme praktisch nie auftreten. Wenn Sie Zweifel über Ihre Rechte und Pflichten haben, wird Sie die Richterin/der Richter auf Nachfrage belehren.

Schweigepflicht und Informationen an die Polizei
Mehr Sorgfalt ist bei Anfragen der Kriminalpolizei geboten. In diesem Ermittlungsstadium wird manchmal nicht beachtet, dass die ärztliche Schweigepflicht auch die Identität der Patientin oder des Patienten und die Tatsache ihrer bzw. seiner Behandlung umfasst. Ferner gilt, dass das Strafverfolgungsinteresse des Staates grundsätzlich nicht den Bruch der ärztlichen Schweigepflicht rechtfertigt und Ausnahmen sich an den bereits erwähnten §34 und §138 StGB messen lassen müssen.

Herausgabe der Befunddokumentationen
In Zivilverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz müssen Frauen den Nachweis erbringen, Opfer einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung geworden zu sein. Hierbei kann ihnen eine ärztliche Dokumentation helfen. Diese dürfen Sie der Patientin aber nach §10 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe nie im Original übergeben. Wenn Sie ihr gegen Kostenerstattung Fotokopien aushändigen, kann sie selbst entscheiden, wann und ob sie diese im Verfahren einsetzen wird.

Bittet die Patientin um Übersendung der Dokumentation an das Gericht, ist hierin eine stillschweigende Entbindung von der Schweigepflicht zu sehen. Verlangt die Patientin einen ärztlichen Bericht, müssen Sie diesen in Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht erstellen.

Wenden Sie sich in Zweifelsfällen an die Juristinnen und Juristen der Ärztekammer Westfalen-Lippe.