Männer – Gewaltverhalten – Gesundheit

Männliche Rollenbilder

Vorstellungen von Männlichkeit sind vielfältig individualisiert. Erkennbar ist auch eine Kombination verschiedener Einstellungsaspekte ohne Anspruch auf Widerspruchsfreiheit. Auch in Milieus traditioneller Männlichkeit zeigen sich patriarchale Haltungen nicht ausschließlich autoritär, sondern stilistisch modern, aufgeschlossen und kompromissbereit (Wippermann, 2014). Daneben existieren Gruppen radikal traditioneller Männlichkeit.

Männliche Rollenbilder und Gewaltverhalten

Connell (2006) prägte den Begriff der „hegemonialen Männlichkeit“ mit einer doppelten Dominanzstruktur: einerseits gegenüber Frauen und andererseits als männliches Dominanzstreben über andere Männer. Lehner und Schnabel (2005) betrachten Gewalttätigkeit als erworbenes Muster im Umgang mit Frustrationen und Meuser (2006) differenziert, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen meist der Unterwerfung diene und Gewalt unter Männern und Jungen auch als ein Mittel der Anerkennung eingesetzt werden kann. Die männlichen Dominanzbestrebungen untereinander stehen auch in einem Wettbewerb (Bourdieu 1997; Meuser, 2013). Damit erfüllen sie auch eine Funktion von Gruppenidentifikation und bilden eine Ressource im Kontext von Ehre und Macht (Streicher, 2001). Dies zeigt sich insbesondere im Kontext von Gewalthandlungen in der Öffentlichkeit oder gegen spezifische Gruppen.

Männliches Gesundheitsverhalten

Nach eigener Einschätzung verfügen zwei Drittel der Männer über eine gute oder sehr gute psychische Gesundheit. Beeinflusst wird das subjektive Gesundheitsempfinden u.a. vom sozioökonomischen Status. Männer mit einem höheren Status (bezogen auf Bildung, Einkommen oder Erwerbslosigkeit, beruflicher Stellung) bezeichneten zu 36,7% den eigenen Gesundheitsstatus als mittelmäßig, während der Anteil bei Männern mit niedrigem Status 14,8% beträgt (RKI, 2015). Neben den sozio-ökonomischen Bedingungen hat das soziale Milieu als Raum von Menschen, die sich in ihrer Lebensauffassung und Lebenslage ähneln, einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten von Männern (Wippermann, 2014). Statistische Unterlagen der Krankenkassen scheinen das subjektive Gesundheitsempfinden von Männern zu bestätigen: Männer sind selten (3,7%) krankgeschrieben (DAK, 2017). Die Ursachen für eine Krankschreibung liegen mit 23,0 % am häufigsten bei Erkrankungen im Muskel-Skelett-System. Verletzungen und Vergiftungen schließen sich mit 15,1 % an und als dritthäufigste Ursache werden Atemwegserkrankungen (15,0%) genannt. Psychische Erkrankungen werden mit 12,5 % aufgeführt (DAK, 2018). Hierbei zeigt sich, dass Geschlechtsrollenstereotype nicht nur auf das subjektive Gesundheitsempfinden und auf Gesundheitsverhalten wirken, sondern auch die Gesundheitswahrnehmung in der ärztlichen Versorgung beeinflussen können. So sind die Diagnosekriterien zur Feststellung einer Depression bis in jüngste Zeit an einer Symptomatik orientiert, die sich eher bei Frauen zeigt. Fehl- oder Unterversorgung männlicher Depression wird somit begünstigt. Informationsbroschüren zu psychischen Erkrankungen sind daher auf ihre Genderspezifik zu überprüfen. Anderseits zeigen Untersuchungen zur Gesundheitskompetenz (Schaeffer et al., 2017) bei der Hälfte (53,0%) der Männer Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, verstehen, beurteilen und zu nutzen.

Männliche Rollenbilder, Gewalt und Suchtverhalten

Ein intensiver Substanzkonsum (besonders Alkohol) ist eine traditionell gezielt eingesetzte Form, um Männlichkeit zu reproduzieren (Stöver, 2006). Damit einher geht auch eine Verstärkung und Begünstigung der Bereitschaft zu Aggressionshandlungen (Auto-/ Fremdaggression) und von Gewalttaten. Intensiver Substanzkonsum kann als Medium einer Scheinwelt mit positivem Selbstbild und emotionalem Erleben genutzt werden. Dies kann dann insbesondere unter dem Aspekt von Gewalthandlungen als Demonstration und Ausleben von Stärke und Macht angesehen werden. Substanzkonsum kann aber auch als Copingstrategie für Verdrängung, Abspaltung oder Abschottung genutzt werden (Stöver, 2006). Neben der Externalisierung im männlichen Rollenbild sind auch ein funktionell geprägtes Körperkonzept und eine als männlich konnotierte Rationalität und Stummheit (Zenker, 2006) Teil einer männlichen Sozialisation, die eng mit dem Drogenkonsum verbunden ist: „Doing gender with drugs“.

Eine Perspektive, die Alkohol nur als Quelle von Problemen und als soziales Übel betrachtet, greift zu kurz. Sucht und Gewalt sind multifaktoriell begründet: In der Literatur werden diesbezüglich insbesondere die Faktoren Alter und Geschlecht, aber auch individuelle Trinkmuster sowie situative und kulturelle Faktoren diskutiert (Görgen & Nowak, 2013). (Siehe auch Faktenblatt: Gewalterleben von Männern im sozialen Nahraum, Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit NRW 2019, unten als PDF)