Gewalterleben von Männern – Häufigkeiten

In der jährlich veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes, die das sogenannte Hellfeld der Polizei bekannt gewordene Kriminalität abbildet, findet sich ein Überblick aller “Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung”. Der Anteil der männlichen Opfer liegt hier mit 60% für 2019 und 58.8% für 2020 erheblich höher als der der weiblichen Opfer (Tabelle 1).

StraftatenOpfer insgesamtOpfer
männlich
Opfer
weiblich
Opfer insgesamtOpfer
männlich
Opfer
weiblich
201920192019202020202020
Vollendet 948850566.963
= 60%
387.91
= 40%
942.165549.552
= 58.3%
392.613
= 41.7%
Versucht 64198 42.141
= 65.6%
22.057 = 34.4% 69.29744.141
= 63.7%
24.318
= 36.3%
Gesamt1.013.048603.080
= 60%
409.968
= 40%
1.011.462594.531
= 58.8%
416.931
= 41.2%

Tabelle 1: Übersicht über die Häufigkeit der Opfererfahrung bei Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung bei Männern und Frauen (BKA, 2019 und 2020)

Wissen über Gewalterleben von Männern wird über Dunkelfeld-Studien ergänzt, da das männliche Anzeigeverhalten bei Straftaten mit Gewalterfahrung geringer ist als das der Frauen. Dies ist eine allgemeine Schwäche der Hellfeldbetrachtungen (BKA, 2018b).

In einer Befragung zu Gewalt und gesundheitlichen Risiken  (G.M.G.R.-Symposium, 2019; Habel, 2019) gaben von den 5.385 teilnehmenden Männer aus NRW 17,0% an, Gewalt erlebt zu haben, jedoch nicht selbst ausgeübt zu haben.

Schwind et al. (2001) fanden bei Körperverletzungsdelikten eine höhere Anzeigeneigung bei weiblichen Opfern (41,2%) als bei männlichen (28,0%). Diese Differenz war aufgrund der kleinen Stichprobe nicht signifikant. In dem Survey (BKA, 2018a) wurden Motive gegen eine Anzeige nach einer Körperverletzung erhoben. Von den 460 betroffenen Männern gaben 63,7% an, sie hätten auf eine Anzeige verzichtet, „weil der Vorfall aus ihrer Sicht nicht schwerwiegend genug war“ oder „weil die Polizei auch nichts hätte tun können oder wollen“ (47,5%).

Die Studie „Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (Schlack et al., 2013) befragte 5.939 Personen (davon 2.790 Männer) nach passiven Erfahrungen körperlicher und psychischer Gewalt. Insgesamt hatten 4,8% der Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahre in Deutschland innerhalb der letzten 12 Monate mindestens eine Gewalterfahrung. Repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland gaben 6,2% der Männer an, in den letzten 12 Monaten körperliche Gewalt erfahren zu haben. Die Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen Männer erlebte am häufigsten körperliche Gewalt. Im Vergleich lagen die Viktimisierungsprävalenzen bei psychische Gewalt höher (17,3%) als bei körperlicher Gewalt. In einem weiteren Schritt wurden die Konfliktpartner der letzten 12 Monaten erfasst. Männer erfuhren am häufigsten Gewalt von unbekannten Personen (3,8%) und mit 0,9 von der PartnerIn. In Bezug auf psychisches Gewalterleben zeigte sich, dass diese am häufigsten von Kollegen und/ oder Vorgesetzten ausgeübt wurde. Die angegebene Gewalt wird überwiegend als belastend empfunden. Bei körperlicher Gewalterfahrung gaben fast drei Viertel und bezüglich psychischer Gewaltopfererfahrung etwas über die Hälfte der Befragten eine starke oder sehr starke Beeinträchtigung ihres Befindens an.

In einer repräsentativen österreichischen Prävalenzstudie zu Gewalterfahrungen von Frauen und Männern (Kapella et al., 2011) werden Gewalthandlungen nach Schweregrad und konkreter Handlung differenziert. Männer erlebten körperliche Übergriffe primär (33,0%) im öffentlichen Raum. Insgesamt berichteten 69 von 1.000 Männern von körperlichen Übergriffen durch männliche unbekannte Personen. Davon berichten 36,9% „absichtlich weggestoßen“ worden zu sein, was jeder zehnte Betroffene als bedrohlich erlebt hat. Eine „leichte Ohrfeige“ gaben 34,8% an und 21,1% berichteten „ernsthaft bedroht, körperlich angegriffen oder verletzt“ worden zu sein. „Verprügelt oder zusammengeschlagen“ worden zu sein wurde nur von 5,2% als bedrohlich angegeben.

Ein Viertel (27,2%) gaben an, psychische Gewalt erlebt zu haben. Als bedrohlich wurde diese von 5,6% der Männer angegeben.

Von sexueller Gewalt berichteten 8,8% der befragten Männer: Insgesamt 8,0% gaben an, dass sie von jemandem „intim berührt oder gestreichelt” wurden, obwohl sie sagten oder zeigten, dass sie das nicht wollten und ebenfalls 8,0% der Männer berichteten, von jemandem „zu sexuellen Handlungen genötigt” worden zu sein, die sie nicht wollten. Insgesamt sieben Männer schilderten zumindest eine körperliche Verletzung als Folge der ihnen widerfahrenen sexuellen Gewaltakte. Eine Anzeige bei der Polizei erstattete kein Mann.

Für Deutschland zeigt sich der Arbeitsplatz als Risikoort für männliches Gewalterleben (Jungnitz, 2004). In der Arbeitswelt dominieren psychische Gewaltformen (BKA, 2018b): Ein Fünftel der berichteten körperlichen und gut die Hälfte der berichteten psychischen Übergriffe sind der Arbeitswelt zuzuordnen. Etwa jeder achte Mann ist von Vorgesetzten oder Kollegen und Kolleginnen schwer beleidigt, eingeschüchtert oder aggressiv angeschrien worden.

Tabelle 2: Anzahl männlicher Erwachsener, die als Gewaltopfer erfasst wurden (BKA, 2018b)
AltersgruppeAnzahl männlicher Opfer von Gewalt (N)
Bis 21 Jahre766.785
21 < 25 Jahre111.308
25 < 30 Jahre140.018
30 < 40 Jahre206.100
40 < 50 Jahre142.481
50 < 60 Jahre104.232

Nach einer Spitze in der Alterskohorte 30 < 40 Jahre (Tabelle 2) verringert sich die männliche Gewaltbelastung in der Öffentlichkeit und Freizeit mit zunehmendem Alter (BKA, 1018b).