Männliches Gewalterleben in Kindheit und Jugend

Die deutschen Hellfeldzahlen (BKA, 2018a) zeigen folgendes Bild: Der Anteil kindlicher Opfer gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt 4,8% (1.217 Kinder). Eine geschlechtsspezifische Aufteilung wurde nicht aufgeführt.

Eine deutsche Dunkelfeldbefragung (Witt et al., 2017) mit 1.167 Teilnehmern kommt zu folgendem Ergebnis (Tabelle 1).

Tabelle 1: Schweregrade von Gewalt und Vernachlässigung bei männlichen Kindern und Jugendlichen in Prozent (Witt et al., 2017)  
Gewaltform (N= 1.167)Nicht betroffenLeichte FormModerate FormSchwere Form
Emotionale Gewalt83,412,52,91,2
Körperliche Gewalt87,45,73,63,3
Sexualisierte Gewalt90,75,92,70,7
Emotionale Vernachlässigung58,029,56,65,9
Körperliche Vernachlässigung57,119,814,28,9

Gewalt in der Kindheit tritt häufig in Kombination verschiedener Gewaltformen auf. Ältere Untersuchungen (Kavemann & Kreyssig, 2021; Heynen, 2004) konnten darstellen, dass Kinder von gewalttätigen Vätern zwischen 80-90% alle Formen von Gewalt bis hin zu Todesdrohungen gegen die Mutter miterleben. Der Anteil erlebter sexueller Gewalt beträgt 12,0%. Generell werden von den Jungen männliche Täter am häufigsten genannt. Täterinnen sind selten.

Ebenso wie in internationalen Studien (Witt et al. 2017; Kapella et at. 2011) gaben in einer deutschen Befragung (Jungnitz, 2004) drei von fünf Männern (161 von 266) an als Kinder oder Jugendliche körperliche Gewalt in Form von Schlägen, Ohrfeigen oder Prügel erlebt zu haben. Ebenfalls drei von fünf Männern gaben an in ihrer Kindheit und Jugend schikaniert, schwer beleidigt, eingeschüchtert oder gedemütigt worden seien. Bezogen auf sexualisierte Gewalt berichteten die meisten Teilnehmer am häufigsten von unangenehmen und ungewollten Berührungen mit eindeutiger sexueller Konnotation

Exemplarisch für männliches Gewalterleben in Kindheit und Jugend werden die Themen „Cyberviktimisierung“ und „Gewalt in Paarbeziehungen und im Zusammenhang von Peergroups“ nachfolgend dargestellt.

„Cyberviktimisierung“

Cybergewalt wird meist anonym ausgeführt. Smith et al. (2008) zeigten, dass die Hälfte der befragten Opfer von Cybergewalt die TäterInnen aus der Schule kannten. Fast jedes fünfte Opfer wusste nicht, von wem diese Gewaltform ausgeübt wurde. Cyberbullying ist eine Gewaltform, die das Ansehen einer Person psychisch schädigen will. Sie wird von Einzeltätern oder Gruppen ausgeübt. Charakteristisch sind dabei wiederholende Akte, die vom Opfer nicht einfach abgewehrt werden können. Die Betroffenen können der virtuellen Gewalt kaum entkommen (Smith et al., 2008). Im Rahmen der bundesweit repräsentativen JIM-Studie 2018 wurden 1.700 Jugendliche zu ihrem Medienverhalten befragt. Die Frage selbst Opfer von Cyberbullying gewesen zu sein, wurde von sechs Prozent der männlichen Jugendlichen bejaht. Jugendliche mit formal niedrigerem Bildungshintergrund waren häufiger (22,0%) betroffen als solche mit formal höheren (16,1%) Bildungshintergrund (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2018).

„Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen und im Zusammenhang von Peers“

In jugendlichen Paarbeziehungen kann Gewalt als „spontanes Konfliktverhalten“ oder als „systematisches Gewalt- und Kontrollverhalten“ auftreten (Bates et al., 2014). Insbesondere in Peergroups, die sich stark an stereotypen Rollenbildern orientieren, ist es wichtig, von den anderen Jugendlichen nicht mit Weiblichkeit, Weichheit oder Homosexualität in Verbindung gebracht zu werden (Meuser, 2013). Europäische Prävalenzdaten (Barter, 2009; Narring et al., 2003; Blättner et al., 2014) variieren in Fragestellung, Altersgruppe, Erhebungskontext und Gruppengröße sehr stark. Vertiefende Informationen finden sich im Faktenblatt: Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen