Männer als Gewalttäter
Sowohl die Hellfeld-Daten als auch die Befragungen zeigen, dass Gewalt weiter überwiegend von Männern ausgeübt wird (BKA 2021, Schröttle & Vogt 2017, Gloor & Maier 2013).
78,8 % männliche und 21,2 % weibliche Tatverdächtige (BKA 2021 Partnerschaftsgewalt)
Die Gewalt richtet sich sowohl gegen Kinder und Jugendliche, gegen Partnerinnen und auch gegen andere Männer. Die Anzahl männlicher Tatverdächtiger singt nach einer Spitze im Alter von 30 bis unter 40 Jahren mit dem zunehmenden Lebensalter ab (Tabelle 1).
Tabelle 1: Altersverteilung männlicher und weiblicher Tatverdächtiger nach Altersklassen
Die polizeilichen Hellfeld-Daten (BKA, 2021) wurden zu Delikten unter Alkoholeinfluss ausgewertet. 23 % der Tatverdächtigen, etwa jeder vierte tatverdächtige Mann stand zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss.
Tabelle 2: Männliche Tatverdächtige nach Alter und Straftat (BKA, 2021) | |||||||
insges. | unter 21 | Junge Erwachsene 21>25 | Erwachsene 25>30 | Erwachsene 30>40 | Erwachsene 40>50 | Erwachsene 50 und alter | |
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung | 3.408 | 423 | 416 | 536 | 984 | 632 | 417 |
Körperverletzung | 70.761 | 2.766 | 5.799 | 10.081 | 23.565 | 16.071 | 12.479 |
Nachstellung (Stalking) | 26.759 | 1.158 | 1.977 | 3.462 | 9.053 | 6.270 | 4.839 |
Die PKS-Daten zweigen, dass der prozentuale Anteil männlicher Tatverdächtiger im Zusammenhang mit Straftaten gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz 2021 mit 92,5 % vergleichsweise hoch ist.
In dem G.M.G.R.-Projekt mit männlichen Teilnehmenden in NRW gaben von 4.601 Teilnehmern 4,8% eigenes gewaltaktives Verhalten an ohne dabei selbst Gewalt erfahren zu haben. Zusätzlich gaben 25,0% der Teilnehmer an, Gewalt sowohl ausgeübt als auch erlebt zu haben (Habel, 2019). Dabei verteilten sich die Angaben zu aktiv ausgeübter Gewalt auf 27,8 % körperliche Gewalt 27,8%, 13,1% psychische Gewalt und 1,6 % sexualisierte Gewalt.
Die Angaben zu eigenem Gewaltverhalten liegen deutlich unter den Angaben zum Erleben von Gewalt. Die Selbstauskünfte zur eigenen erlebten Gewalt stehen im Widerspruch zu den polizeilichen Hellfelddaten. Ähnlich wie bei Aussagen zum eigenen Gewalterleben sinkt die Prävalenzrate im Lebensverlauf.
Diese Diskrepanz in Bezug auf gewaltaktives Verhalten zeigt sich auch im Rahmen internationaler Studien in Form von Über- und Unterrepräsentanzen z.B. hinsichtlich erlebter und ausgeübter Gewalt in Partnerschaften (Gloor & Meier, 2013). Zudem betont Schröttle (2017) in der Expertise zu Paargewalt in Deutschland die Mehrdimensionalität Häuslicher Gewalt, die eine ausschließliche Reduktion auf körperliche Gewalttaten als falsch bezeichnet. Vielmehr zeigen genderspezifische Untersuchungen zu Gewalt, dass weibliche Gewaltopfer überwiegend durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erleben. Sowohl Männer als auch Frauen erleben die Gewalt weit überwiegend durch gewaltausübende Männer während schwere oder systematisch wiederholte Paargewalt selten von Frauen ausgeübt wird (Schröttle & Vogt 2017).
Gewalt im Kontext von abhängigkeitsfördernden Substanzen
Männer üben Gewalt auch im Zusammenhang mit dem Konsum abhängigkeitsfördernder Substanzen aus. Laut WHO (2013) müssen innerhalb des letzten Jahres mindestens drei der folgenden Kriterien vorhanden sein, um die Diagnose Abhängigkeit stellen zu können:
- Ein starker Wunsch oder Zwang zu konsumieren.
- Verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf Beginn, Beendigung oder Menge des Konsums.
- Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums.
- Der Nachweis einer Toleranz im Sinne von erhöhten Dosen, die erforderlich sind, um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichte Wirkung hervorzuheben.
- Eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Konsums sowie ein erhöhter Zeitaufwand, um zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen.
- Anhaltender Konsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen.
Neben stoffgebundenen gibt es auch stoffungebundene Abhängigkeiten wie z.B. Spielsucht.
In Deutschland haben nach eigenen Angaben 18,2% der Männer einen riskanten Alkoholkonsum über 24g/ Tag (BZgA, 2018).
Der Drogen und Suchtbericht (Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2018) kommt zu ähnlichen Ergebnissen (siehe Tabelle 5).
Tabelle 5: Prävalenz Alkoholkonsum bei Männern im Alter von 18-64 Jahren (Drogenbeauftragte der Bundesregierung , 2018) | ||
Datenquelle | IFT: ESA | RKI: GEDA-EHIS |
Jahr | 2015 | 2014-2015 |
Jemalskonsum | 96,8% | 92,0% |
Konsum mind. 1x/Woche | 47,7%% | |
Konsum mind. monatlich/ Jahr | 73,9% | |
Riskanter Konsum | Reinalkohol: Männer < 24 Gramm | Reinalkohol: Männer < 20 Gramm |
Gesamt | 15,2% | 16,3% |
Männlich | 17,0% | 18,3% |
Rauschtrinken | Fünf oder mehr Getränke bei einer Gelegenheit mind. einmal/ Monat | Sechs oder mehr Getränke bei einer Gelegenheit mind. einmal/ Monat |
Gesamt | 35,0% | 33,4% |
Männlich | 46,5% | 44,7% |
Alkoholabhängigkeit | ||
Gesamt | 4,0% | —— |
Männlich | 5,2% | —— |
Alle Untersuchungen zeigen einen im Vergleich zu Frauen häufigeren Konsum von Alkohol bei Männer. Die Konsummengen liegen ebenfalls über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Insgesamt 26,1% Männer und 15,4% der Frauen gaben an ein- bis dreimal/ Monat und 20,6% der Männer (6,6% der Frauen) viermal und öfter/ Monat Rauschtrinken durchgeführt zu haben (Pabst, 2013).
In dem repräsentativen Forschungsprojekt (Gloor & Meier, 2013) in der Schweiz wurden 1.500 Fragebögen und vertiefende qualitative Interviews mit Paaren, die aufgrund von Partnergewalt an Lernprogrammen teilnahmen, durchgeführt.
Im Zusammenhang häuslicher Gewalt und problematischem Alkoholkonsum zeigte sich eine Dualproblematik: Der männliche Täter mit problematischem Alkoholkonsum übt häusliche Gewalt aus, das weibliche Opfer erlebt häusliche Gewalt und berichtet ebenfalls von eigenem problematischem Alkoholkonsum.
In den Fragbögen der Opferberatungsstellen zeigten sich nach Angaben der weiblichen Teilnehmerinnen 43% Täter mit einer Dualproblematik, in denen der Gewaltberatungsstellen lag der Anteil bei 16% (Gloor & Meier, 2013). Da in den Gewaltberatungsstellen männliche Teilnehmer befragt wurden, sind diese Angaben als Selbstauskunft zu bewerten.
Die vertiefenden Interviews gaben folgende Hinweise: Alkoholkonsum und häusliche Gewalt treten keineswegs immer simultan auf, sondern bilden eher ein mögliches Muster. Einige der befragten Männer überlegten, ob Alkoholkonsum zur Verschärfung des Problems beigetragen habe. Die Probleme und Auseinandersetzungen seinen zwar bereits vorhanden gewesen, möglicherweise seien sie ohne Alkohol aber weniger heftig ausgefallen. Manchmal war das Thema Alkohol selbst ein Streitpunkt. Morgenroth (2011) resümiert in ihrem Vortrag zu Sucht und Gewalt anlässlich der Niedersächsischen Suchtkonferenz eine sich gegenseitige Verstärkung der Teufelskreise von Sucht und Gewalt.