Gewaltausübung in spezifischen Lebenssituationen

Gewaltausübung von männlichen Heranwachsenden

Täterschaft in der Kindheit kann nur indirekt über Aussagen zum Gewalterleben abgeleitet werden. In einer geschlechtervergleichenden repräsentativen Umfrage zu Gewalt in Familie und im nahen sozialen Umfeld aus Österreich (Kapella et al., 2011) wurden 1.042 Teilnehmer (16-60 Jahre) unter anderem nach ihren Gewalterfahrungen in der Kindheit befragt. Insgesamt hatten 72,8% der Jungen psychische Gewalt, 73,7% körperliche Gewalt und 12,0% sexuelle Gewalt in der Kindheit erfahren. Die Gewalt wurde zu 60% von Erwachsenen und zu 22,4% von Kindern bis 14 Jahren ausgeübt.

Aufgeteilt nach Setting und Täterschaft zeigte sich psychische Gewalterfahrung am häufigsten in der Schule (11,1%), gefolgt von Gewalt innerhalb der Familie (7,5%). Dementsprechend benennen die Betroffenen an erster Stellen ein Mitschüler als Täter.

Körperliche Gewalt wurde von der Hälfte der betroffenen Jungen mindestens einmal im schulischen Sozialraum erlebt. Als Täter wurden an erster Stelle Mitschüler benannt. Mehrheitlich (38,8%) erfolgte die sexuelle Gewalt durch unbekannte männliche Personen im öffentlichen Raum. An zweiter Stelle (30,5%) wurde die Schule angegeben.

Unkontrollierte oder aggressive Verhaltensweisen in der frühen Kindheit sind kein allgemeiner Indikator für Gewalthandlungen in der Adoleszenz. Die Mehrzahl der Kinder mit kognitiven oder psychischen Verhaltensauffälligkeiten verlieren diese in der Adoleszenz (Spehr, 2010).

Das Phänomen, dass einzelne Personen von einem oder mehreren Mitgliedern der eigenen Gruppe schikaniert oder terrorisiert werden, wird insbesondere im Schulkontext als Bullying bezeichnet (Lexikon der Psychologie, 2000). Internationale Studien zu Bullying zeigen, dass Jungen häufiger Täter aber auch drei Mal häufiger Opfer von Bullying sind als Mädchen (Smith et al., 2008).

Genderspezifische Aussagen zur Gewaltausübung von männlichen Heranwachsenden finden sich in den Hellfeldstudien. Dunkelfelduntersuchungen erheben in der Regel keine Aussagen zur eigenen Täterschaft, sodass Angaben aus beobachtetem Verhalten anderer oder Aussagen gewaltbetroffener Jungen und Mädchen herangezogen wurden. Die hier vorgestellten Studien beziehen sich auf die Themen Teen-Dating-Violence, Gewaltausübung im Kontext abhängigkeitsverursachender Substanzen, Cybergewalt und dem Einfluss von Peers auf jugendliche Gewaltausübung.

Teen-Dating-Violence

Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen passieren nicht zufällig oder versehentlich und unterscheiden sich durch diese Merkmale von sexualisierten Grenzverletzungen, die aus Unwissenheit, Fehleinschätzung oder unklarer Kommunikation entstehen und wenn darauf aufmerksam gemacht wird, auch entsprechend korrigiert werden können (Kettritz, 2017). In einer nichtrepräsentativen Schülerbefragung in Hessen (Blättner et al., 2014) berichteten 65,7% der befragten Mädchen von mindestens einer erlebten Gewaltform (emotional, psychisch oder sexuell) in ihrer Partnerschaft.

Angaben zu eigener Täterschaft bei Gewalt in der eigenen Beziehung werden in den Untersuchungen nicht abgefragt. Damit lassen sich Aussagen zu männlichen Gewaltausübenden in solchen Beziehungen nur indirekt über die Aussagen der Gewaltbetroffenen ableiten.

Einfluss von Peers

Delinquente Peers besitzen Einfluss auf die Verfestigung gewalttätiger Verhaltensmuster. Solche Verhaltensmuster können bereits durch Miterleben häuslicher Gewalt oder Gewalterfahrung im kindlichen Kontext wie beispielsweise Gewalterleben in Schule oder Familie, durch Mitschüler oder Familienangehörige entwickelt worden sein (Kapella et al., 2011).

Untersuchungen zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Delinquenz in der Peergroup mit eigenem delinquentem Verhalten (Baier & Wenzel, 2006; Baier & Pfeiffer, 2011). Ob solche Freundeskreise eher Ursache oder Folge der weiteren Delinquenz sind, wird kontrovers diskutiert: Eine amerikanische Untersuchung gibt Hinweise für einen Sozialisationsprozess, in dem Jugendliche durch die Gruppe zu delinquentem Verhalten motiviert werden (Thornberry et al., 2003). Schlechte Schulnoten können als Anlass dienen, dass Anerkennung in anderen Bereichen, zum Beispiel über antisoziales oder delinquentes Verhalten, gesucht wird (Baier & Pfeiffer, 2011). Baerveldt et al. (2008) kommen zu dem Fazit, dass sich Ursache und Folge sogar ergänzen können.

Gewaltausübung in Institutionen

Nachfolgend wird Gewaltausübung von männlichen Heranwachsenden in Internaten und Heimen und in Justizvollzugsanstalten in NRW vorgestellt.

Im Rahmen einer Befragung von insgesamt 322 Jugendlichen zum Gewalterleben und Gewaltausüben unter Jugendlichen in Internaten und Einrichtungen der Jugendhilfe (Rau & Allroggen, 2016) konnte festgestellt werden, dass sie im Vergleich zu den befragten Mädchen deutlich häufiger Gewalt ausgeübt haben (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Gewaltausübung Jugendlicher mindestens einmal innerhalb der Lebensspanne (Rau & Allroggen, 2016)
GewaltformGesamtbefragteMännlichWeibliche
Sexuelle Belästigung30929 (14,9%)10 (7,5%
Übergriff ohne Penetration29938 (22,2%)8 (6,3%)
Übergriff mit Penetration30313 (7,4%)1 (0,8)
Irgendein Ereignis28552 (30,8)15 (12,9)

Gewaltausübung im Kontext von Migration

Vorsätzliche Tötungsdelikte mit tatverdächtigen Flüchtlingen fanden zu über 90,0% und schwere Körperverletzungen zu zwei Dritteln unter den Flüchtlingen und innerhalb von Flüchtlingsunterkünften statt. Pfeiffer sieht dort einen Zusammenhang zwischen den Gewalthandlungen mit engen räumlichen Wohnbedingungen und dem Zusammentreffen unterschiedlicher religiöser und kultureller Einstellungen (Abb. 2).

Abbildung 2: Prävalenzdaten des Gewaltverhaltend nach ethnischer Herkunft ( in %, Pfeiffer 2018)

Raubdelikte durch Migranten erfolgen zu 70,0% gegen Deutsche und auch Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen durch Personen mit Flüchtlingshintergrund richteten zu 58,6% gegen deutsche Opfer. Pfeiffer et al. (2018) betonen auch, dass geflüchtete Frauen aufgrund der Fluchterfahrungen ausgeprägte Hemmungen zeigten, sich gegenüber der Polizei zu äußern.