Spezifische Gewalterfahrungen von Männern

Gewalterfahrung in Institutionen

Eine repräsentative Befragung von Leitungen zu sexuellen Übergriffen bei Kindern und Jugendlichen in Schulen, Internaten und Heimen in Deutschland (Helmig et al., 2011) zeigte eine Prävalenz von mindestens einem Verdachtsfall zwischen 40% in Schulen und 70% in Heimen innerhalb der letzten drei Jahre. Der Anteil sexueller Gewalt durch in der Institution beschäftigte Personen lag in Heimen mit 10% deutlich über dem Anteil von Schulen und Internaten (4 – 6%). Im Kontext sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen lagen die Angaben je nach Setting zwischen 16% in der Schule bis hin zu 39% in den befragten Heimen innerhalb der letzten drei Jahre. Spezifische Angaben zu Jungen wurden nicht aufgeführt.

In der Untersuchung zu sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch katholische Kleriker in Deutschland (Dreßing et al., 2018) wurden insgesamt 38.156 Personal- und Handakten im Zeitraum von 1946 bis 2014 analysiert. In den 27 Diözesen fanden sich bei 1.670 Personen (4,4%) Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs. Als von sexuellem Missbrauch betroffen konnten 3.677 Kinder und Jugendliche zugeordnet werden. Die Betroffenen waren zu 62,8 % männlich. Etwa die Hälfte (51,6%) war beim ersten sexuellen Missbrauch maximal 13 Jahre alt. Die ermittelte individuelle Dauer des Missbrauchs lag zwischen 15,8-20,3 Monate. Die meisten Ersttaten erfolgten im Alter zwischen 30-50 Jahren der Kleriker.

Die Betroffenen vertrauten sich überwiegend den Eltern oder anderen Familienmitgliedern an (29,9% bzw. 36,7%). Etwa ein Drittel berichtete in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum Missbrauch. Etwa 20% berichteten erst zehn bis zwanzig Jahre später davon.

Gewalt gegen Berufsgruppen

Eine Studie zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte (Feltes & Weigert, 2018) untersuchte die Gewalterfahrung von Einsatzkräften der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen. Der männliche Anteil in der Stichprobe von 4.500 Einsatzkräften in NRW lag bei 92,4%. Insgesamt gaben 64,0% der Teilnehmenden an, innerhalb der letzten 12 Monaten mindestens einmal Opfer verbaler, nonverbaler und/ oder körperlicher Gewalt geworden zu sein. In der Rubrik körperliche Gewalt benannten die betroffenen Einsatzkräfte zu 63,3% geschlagen und zu 40,1% weggeschubst, angespuckt oder getreten worden zu sein.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (BKA, 2018) erfasste insgesamt 6.580 Körperverletzungsdelikte gegen Polizeibeamte und 856 Körperverletzungsdelikte gegen Männer im Rettungsdienst.

In Deutschland sind seit ca. 20 Jahren Bundeswehrsoldaten im Rahmen erweiterter militärischer Aufgaben weltweit eingesetzt. Jährlich führen diese Einsätze mit den außergewöhnlichen Anforderungen und Belastungen bei ca. 1.000 der jährlich 20.000 eingesetzten Soldaten zu „einsatzbedingten psychischen Störungen“. Neben Posttraumatische Belastungsstörung geben klinische Studien Hinweise darauf, auch Depressionen, schwerwiegende Anpassungsstörungen, Angststörungen und Suchterkrankungen in den Vordergrund zu rücken (Biesold, 2012).

In einem Vergleich von 1.439 Soldaten und 44 Soldatinnen mit Auslandseinsatz (Afghanistan) zu 889 Soldaten ohne Auslandsaufenthalt (Wittchen et al., 2012) stellte sich heraus, dass Auslandseinsätze mit einem zwei- bis vierfachem Risiko für Posttraumatische Belastungsstörungen assoziiert werden. Dabei gab jeder zweite Betroffene an, keine professionelle Hilfe aufgesucht zu haben.

Gewalterfahrungen im Kontext von Migration, Flucht, Krieg

Das Bundesforum Männer (2018) hat im Rahmen des Projekts „Movemen“ Bedarfe und Erfahrungen von 85 geflüchteten Männern (Durchschnittsalter 21,9 Jahre) erhoben. Demnach führten Berichterstattungen über Straftaten, an denen geflüchtete Männer beteiligt sind, oftmals zu Vorverurteilungen und Pauschalisierungen von allen Männern mit Fluchterfahrung. Durch offene oder indirekte Rassismuserfahrungen fühlten sich die Interviewten verängstigt. Von Verunsicherungen im Umgang mit Frauen berichteten fast alle. Ein Kontaktaufbau zu Frauen wird durch das negative vorherrschende Image noch zusätzlich erschwert. Viele junge Männer berichteten von häufigen und unfreiwilligen Transfers in unterschiedliche Sammelunterkünfte. Sie fühlten sich insgesamt massiv in ihrer Autonomie und Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Dies bereite nach ihrer Ansicht den Boden für Extremismus auch unter den Migranten.

Die Ergebnisse verweisen auf die Intersektionalität (Marten & Walgenbach, 2016) von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen im Leben männlicher Subgruppen. Diskriminierungserfahrungen werden auch von homosexuellen Männern (Ohms, 2016), von Männern mit Behinderung (Wansing & Westphal, 2014), Männern mit Migrationshintergrund (Peucker, 2010) oder „people of colour“ (Lutz, 2010) berichtet.